Völkermord an den Sinti und Roma im Zentrum des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus
Ihre Verfolgung und Vernichtung gründete auf einer rassistischen Weltsicht, die sich mit althergebrachten Vorurteilen mischte. Die Nürnberger Rassengesetze nahmen den Sinti und Roma 1935 genauso wie den Juden ihre staatsbürgerlichen Rechte. Auch sie galten als "artfremde Rasse", eine Verbindung mit anderen Deutschen wurde als "Rassenschande" verfolgt. Schon 1935 richteten viele Städte Internierungslager für Sinti und Roma ein. 1939 wurden ihre Ausweise mit einem "Z" gekennzeichnet, ein Jahr später begannen die systematischen Deportationen in die Konzentrations- und Vernichtungslager. Man schätzt, dass in Europa bis zu 500.000 Sinti und Roma dem Genozid zum Opfer fielen. Nach Kriegsende wurde ihr Schicksal lange tabuisiert, ihre Forderung nach Anerkennung des erlittenen Unrechts und Entschädigung abgewehrt. Erst 1982 erkannte die damalige Bundesregierung unter Helmut Schmidt an, dass es sich bei dem Verbrechen an den Sinti und Roma um einen Völkermord handelte. Doch bis heute sind Roma und Sinti in Europa von Ausgrenzung und Diskriminierung betroffen.
Unter dem Titel "Sinti und Roma in Europa – Verfolgung, Erinnerung, Zukunft" sprechen Kinder von Auschwitz-Überlebenden am 27. Januar um 17 Uhr im Erinnerungsort über die Geschichte ihrer Familien. Die Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Berlin Brandenburg e. V., Petra Rosenberg, spricht über ihren Vater Otto Rosenberg und liest aus seinen Erinnerungen. Otto Rosenberg wurde mit 16 Jahren nach Auschwitz deportiert, wo ein Großteil seiner Familie ermordet wurde. Danach kam er nach Buchenwald, Dora und Bergen-Belsen.
Aus einer bekannten Musikerfamilie stammt Django Reinhardt, der zweite Gesprächspartner im Veranstaltungspodium. Die Geschichte seiner Mutter Waltraud, die ihre Familie im Nationalsozialismus verlor, ist Teil der Ausstellung "Unersetzbar. Begegnung mit Überlebenden" (noch bis 27.1.2013 im Erinnerungsort zu sehen). Auch sein Vater hat über die Familiengeschichte ein Buch geschrieben: "Hundert Jahre Musik der Reinhardts. Daweli erzählt sein Leben". Daweli Reinhardt war mit seinen Eltern und Geschwistern in den Lagern Auschwitz, Ravensbrück, Sachsenhausen, Mauthausen und Bergen-Belsen inhaftiert. Django Reinhardt leitet heute das Kultur- und Beratungsbüro für Sinti und Roma in Koblenz und engagiert sich für die Integration von Jugendlichen insbesondere durch die Musik.
Als besonderer Gast nimmt die jüdische Auschwitz-Überlebende Éva Pusztai an dem Gespräch um 17 Uhr teil. Sie war im August 1944 in Auschwitz-Birkenau, als fast dreitausend Männer, Frauen und Kinder aus dem sog. Zigeunerlager im Gas ermordet wurden.
Der Gedenktag wird mit einem musikalischen Ereignis beschlossen. Fünf Mitglieder der Familie Reinhardt, Kinder und Enkel der Überlebenden Waltraud und Daweli Reinhardt, bieten um 20 Uhr traditionelle und moderne Sinti Musik dar. Es gelang den Nationalsozialisten nicht, diese reiche Kultur zu vernichten. Davon zeugen diese großartigen Musiker.
Die Veranstaltungen finden in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung statt. Lesung und Gespräch sind kostenfrei. Der Eintritt für das Konzert beträgt 5 Euro (ermäßigt 3 Euro).