Preisverleihung in Marburg – Lutherstädte zeichneten Seyran Ateş aus
Die Landeshauptstadt Erfurt wurde vom Beigeordneten für Kultur und Stadtentwicklung, Dr. Tobias J. Knoblich, vertreten, der bereits im letzten Herbst in der Jury mitwirkte. Zur Auszeichnung von Seyran Ateş sagte er:
Ich bin sehr stolz, dass sich Erfurt im Kreis der Lutherstädte engagiert, denn es geht hier ganz konkret um das Vorbild Luthers bei Gewissensentscheidungen. Sein Gewissen zu befragen und sich mutig gegen dominante Auffassungen zu stellen, ja Gewaltandrohung in Kauf zu nehmen, ist auch heute – leider – ein Thema. Luther musste sich einst in Worms den kirchlichen Autoritäten stellen und sich gegen sie behaupten. Frau Ateş, die ich in Marburg als überaus freundliche, aber konsequente und mutige Frau kennengelernt habe, erlebt eine Welt, die ihr teilweise den Einsatz für Integrationsarbeit verübelt, da sie unter anderem mit einem antiquierten und inakzeptablen Frauenbild im Islam bricht. Ein starkes Gewissen aber ist das eine, gesellschaftlicher Rückhalt das andere: Es ist wichtig, solche unerschrockenen Akteure der Integrationsarbeit zu würdigen, ihre Sichtbarkeit immer wieder zu stärken. Mit der Preisverleihung geht auch von Erfurt das Zeichen aus, dass mutigen und konsequenten Menschen unsere Sympathie gilt. Mit ihnen möchten wir an einer toleranten Gesellschaft arbeiten.
Die Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Gesine Schwan würdigte die Preisträgerin Seyran Ateş in einer Laudatio.
Der Bund der 16 Lutherstädte in Deutschland zeichnet Seyran Ateş für ihren Kampf für die Rechte muslimischer Frauen, für Demokratie, Integration und für einen säkular-liberalen Islam, gegen Parallelgesellschaften und gegen politisch-religiösen Extremismus aus.
Die Frage der Integration ist eines der bedeutenden Themen der Gegenwart und eine enorme Herausforderung für die Zukunft unserer Gesellschaft. Mit Seyran Ateş würdigen wir eine Pionierin der Integrationsarbeit. Trotz Morddrohungen und tätlichen Übergriffen verfolgt sie diesen Weg seit Jahrzehnten mit enormer Zivilcourage. Seyran Ateş bezeichnet sich selbst als gläubige Muslimin, die ihre Religion von innen heraus reformieren will, statt sich gegen sie zu wenden. Das ist im bestens Sinne Luthers,
heißt es in der Begründung der Jury für Seyran Ateş.