Sonnengesang: Neue Chormusik im Rathausfestsaal der Landeshauptstadt Erfurt
Der Thüringer Komponist Reiner Dennewitz, Träger des Hanns-Eisler-Preises und weiterer Auszeichnungen, hat speziell im Bereich des chormusikalischen Schaffens der Gegenwart Marksteine gesetzt. Seine Werke wurden nicht selten von den Thomanern unter Leitung von Prof. Christoph Biller aus der Taufe gehoben und haben neben klangvollen Namen der älteren Musikgeschichte nicht nur sich behauptet, vielmehr die fortwirkende Aktualität des Alten im Neuen hörbar und sinnfällig gemacht.
Nicht weniger als neun Uraufführungen junger Chorkompositionen von Reiner Dennewitz vergegenwärtigen das vielstimmige "Musikland Thüringen" im Rahmen eines Programms, das Zeitgenössisches im nationalen wie im europäischen Kontext großer Musikgeschichte zu Gehör bringt. Groß sind auch die Themen, weitgespannt die Bezüge, entsprechend hoch die Anforderungen an den Chor – aber auch der Genuss für ein Publikum, das Ohren und Verstand aufmacht. Nicht musikalischer Sachverstand allein, auch die Reflexion des gesungenen Wortes ist angesprochen. Wie es zwischen Farbklängen und Klangfarben synästhetische Korrespondenzen gibt, so verbinden sich das Weben der Sprache und das klangliche Leben in der Spiritualität eines Sachgehalts, der sich in beiden verlautbart. Das gewaltige Erbe liturgischer Chormusik hat diesen Zusammenhang von Emotionalität und Intellektualität als Kunstform geschichtlich verfestigt; dieses Erbe bleibt das Fundament auch der Behandlung säkularer Stoffe im chormusikalischen Schaffen der Gegenwart.
Die Trilogie "Sonnengesang" in der Fassung, die Max Lehrs der Lobpreisung der Schöpfung und des Schöpfers durch den Heiligen Franz von Assisi (ca. 1225) gegeben hat, bildet die Achse des Programms, das den Bogen spannt bis zum "In memoriam" der Tsunami-Opfer 2004. Aber auch Rilkes "Der Tod ist groß", Wagners drei Gesänge aus "Tristan und Isolde" in der chorischen Bearbeitung durch Clytus Gottwald, schmerzvolle Verse der italienischen Spätrenaissance in Gesualdos chromatisch kühnen Madrigalkompositionen und vier zwischen Heiterkeit und Melancholie changierende Gedichte Theodor Storms entfalten den sinnlich-spirituellen Reichtum ihrer textlichen Bezüge neu mit den Mitteln der Musik.
Das Zusammenwirken des Thüringer Komponistenverbandes mit dem Dresdener Ensemble vocal modern, um neue Chormusik von Reiner Dennewitz mit musikgeschichtlichen Querbezügen zur Aufführung zu bringen, darf als ideale Konstellation betrachtet werden, die der sängerischen Anforderung der Werke wie dem spezifischen Interesse des Chores am zeitgenössischen Schaffen der Komponisten Mitteldeutschlands hervorragend entspricht.