Erfurter Judeneid
Fast quadratisch liegt das Stück Pergament in der Vitrine. Die gotischen Buchstaben verleihen dem mittelhochdeutschen Dokument ebenso seine faszinierende Ausstrahlung wie das Wachssiegel. Die Rede ist vom Erfurter Judeneid, geschrieben vor 1200. Es ist das älteste Dokument, welches von der Erfurter Kultusgemeinde zeugt, und der älteste Judeneid in deutscher Sprache. Mit diesem Eid wurde eine Rechtstradition begründet, wobei das Erfurter Dokument keine entehrenden Zusätze enthält, wie es später üblich wurde.
Der Erfurter Judeneid wird als Original im Obergeschoss der Alten Synagoge Erfurt gezeigt. Das mit farbigen Seidenfäden angehängte Siegel mit dem Heiligen Martin im Bischofsornat ist das älteste Siegel dieser Art. Zu dieser Zeit fiel der Judenschutz in die Zuständigkeit des Erzbischofs.
Das Dokument aus der Amtszeit von Erzbischof Konrad I. von Wittelsbach (gestorben 1200) ist Zeugnis für die Bedeutung der jüdischen Gemeinde. Anstelle des christlichen Schwurs schuf man für Juden eine dreizehnzeilige Formel, welche mit Anspielungen auf das Alte Testament vor Meineid warnte, geschworen wurde auf die fünf Bücher Mose. Auch wenn das Dokument nicht dem Aufbau einer Urkunde entspricht, hat es doch verbindlichen rechtlichen Charakter. Es ist im Korpus der altdeutschen Originalurkunden vor 1300 auf Platz Eins verzeichnet. Hier zeigt sich eine Mischung deutscher und jüdischer Rechtsauffassung. Die Eidesformel ermöglicht jedem Juden vor einem christlichen Gericht den Widerspruch und Rechtsgeschäfte.
Schon im 19. Jahrhundert war man sich des Wertes bewusst. Nachdem Erfurt preußisch wurde, kamen die Archivalien des Regierungsarchivs nach Magdeburg. Fast 100 Jahre später konnte man den Judeneid nach Erfurt zurückholen.