Lange Nacht der Museen – Gesicht zeigen für ein weltoffenes Thüringen. Aus der Geschichte lernen heißt: jetzt die Demokratie verteidigen!
Programm
Musikalische Eröffnung und Begleitung mit Lev Guzman an der Bratsche
Lev Guzman studierte Bratsche an der Hochschule von Taschkent (Usbekistan) und war dort Mitglied eines Kammerorchesters sowie Musiklehrer. Seit 2001 lebt er als freischaffender Musiker und Musiklehrer in Deutschland. Er komponiert in verschiedenen Stilen und vertont eigene russische Texte sowie Texte anderer Autor/-innen.
18:00 Uhr | Ausstellungsführung Miriams Tagebuch. Die Geschichte der Erfurter Familie Feiner
Persönliche Dokumente und Fotos aus dem Familienbesitz machen das Schicksal einer jüdischen Familie aus Erfurt sichtbar, die durch die Verfolgung und Vernichtung im Nationalsozialismus zerstört wurde. Die beiden Töchter konnten durch die Auswanderung nach Palästina, damals britisches Mandatsgebiet, ihr Leben retten. Den Eltern dagegen wurde in eine Einwanderung verwehrt. Sie wurden Opfer der sogenannten „Polenaktion“, in der am 28./29. Oktober 1938 Jüdinnen und Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit, die schon lange in Deutschland lebten, von den Nationalsozialisten über Nacht nach Polen abgeschoben wurden. Diese Gewaltaktion ist vergleichbar mit dem, was heute von Rechtsextremen unter dem Euphemismus „Remigration“ geplant wird.
18:00 – 19:00 Uhr | Videointerviews mit Überlebenden in der Éva Fahidi-Pusztai-Bibliothek
Bislang hat der Erinnerungsort zehn lebensgeschichtliche Videointerviews mit Überlebenden der nationalsozialistischen Vernichtung geführt, didaktisch aufbereitet, auf seine Webseite gestellt und an den Medienstationen in seiner Bibliothek zugänglich gemacht. Fünf der Überlebenden sind inzwischen verstorben. So unterschiedlich ihre Herkunft, ihre Verfolgung und ihr Umgang mit dem, was ihnen von den Nationalsozialisten angetan wurde, auch ist: Ihre Botschaft des „Nie wieder“ eint sie. So wendet sich Eva Umlauf, die im November 1944 im Alter von knapp zwei Jahren zusammen mit ihrer schwangeren Mutter und ihrem Vater aus der Slowakei mit einem der letzten Transporte nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurde, in ihrem Interview an die Jugendlichen mit den Worten: „Fühlt euch nicht schuldig. Versucht alles zu machen, dass es nie wieder passiert. Dass ihr das machen könnt, bin ich ganz sicher.“ Fachkundiges Personal beantwortet Ihre Fragen zu den Interviews und zur Bibliothek.
18:00 – 22:00 Uhr, alle 30 Minuten | „Stets gern für Sie beschäftigt, …“ Dokumentarfilm über J.A. Topf & Söhne
Der Film erzählt die Geschichte des Familienunternehmens J. A. Topf & Söhne, die in Erfurt im 19. Jahrhundert begann und bis in die Krematorien von Auschwitz führte. Die Bilder von den ehemaligen Arbeitsplätzen der Geschäftsführer und Ingenieure in den über 100 Jahre alten, verlassenen Betriebsgebäuden bezeugen die Kontinuität eines gewöhnlichen Firmenalltags über 1945 hinaus und damit auch die Verweigerung, sich mit der Mittäterschaft an der Shoah auseinanderzusetzen. Sie entstanden, bevor aus dem verwahrlosten Verwaltungsgebäude 2011 der Erinnerungsort Topf & Söhne wurde. Im Film treten sie in einen Dialog mit Dokumenten, die vom Denken und Handeln der Menschen an diesen Arbeitsplätzen berichten, und mit Bildern aus den Konzentrationslagern Buchenwald und Auschwitz, die die Folgen dieses Handelns sichtbar machen
ab 19:00 Uhr | Infopoint Weltoffenes Thüringen, Omas gegen Rechts Erfurt e.V. und Förderkreis Erinnerungsort Topf & Söhne e.V.
Wie kann ich mich engagieren, um die Erinnerungskultur an die nationalsozialistischen Verbrechen zu verteidigen und die Haltung gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in der Gesellschaft zu stärken? Kommen Sie mit Menschen, die für ein Weltoffenes Thüringen, bei den Omas gegen Rechts und im Förderkreis Erinnerungsort Topf & Söhne aktiv sind, ins Gespräch.
19:00 Uhr | Was bedeutet „Remigration“? Betroffene und Expert/-innen im Gespräch
Mit PD Dr. Annegret Schüle, Oberkuratorin am Erinnerungsort Topf & Söhne, sprechen Dr. Florian Wagner, Akademischer Rat an der Universität Erfurt, Teilprojekt Freiwilligkeit und Repatriierung. Transnationale Prozesse der Remigration und Repatriierung in der DFG-Forschungsgruppe Freiwilligkeit und Natalia Beck, Leitung des Projektes Raus aufs Land – Antidiskriminierungsberatung in Thüringen, MigraNetz Thüringen e.V.
Nach der Veröffentlichung der Correktiv-Recherchen über das Potsdamer Treffen von AfD-Politikern, Neonazis und finanzstarken Unternehmern wurde „Remigration“ zum Unwort des Jahres 2023. Martin Sellner, der auf dem Treffen vortrug und gegen den inzwischen ein bundesweites Einreiseverbot verhängt wurde, hat nun das Buch Remigration: Ein Vorschlag veröffentlicht. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreich plant, dass Menschen mit ausländischen Wurzeln massenhaft Deutschland verlassen müssen, auch Menschen mit deutschem Pass. Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion Bernd Baumann hat den Gebrauch des Begriffs „Remigration“ durch die Partei als „vernünftiges Wort“ verteidigt. Wie der Kreisverband Mittelthüringen auf der Thüringer AfD-Webseite zeigt, forderte die Junge Alternative bei der von den beiden AfD-Landessprechern Björn Höcke und OB-Kandidat Stefan Möller angeführten Demonstration im Oktober 2023 in Erfurt „Remigration jetzt“.
19:45 Uhr | Erfurter Omas gegen Rechts und ihre Initiativen im Gespräch
2017 wurden die Omas gegen Rechts in Österreich gegründet, seit 2018 gibt es sie auch in Deutschland mit inzwischen ca. 150 Regionalgruppen und etwa 30.000 Mitgliedern. „Die Omas gegen rechts sind derzeit die größte Frauenbewegung auf der Straße. […] Die Omas haben einen stabilen politischen Kompass. Sie haben Ausdauer, Erfahrung, Zeit und Kraft. Die Omas sind die feministische Antwort auf den Rechtsruck.“ (taz 26.März 2024)
Der Erinnerungsort Topf & Söhne setzt sich gemeinsam mit den Omas gegen Rechts für den Denkort Bücherverbrennung 1933 im egapark Erfurt ein und stellt sie im Gespräch mit Aktiven vor.
20:00 Uhr | Ausstellungsführung Techniker der „Endlösung“. Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz
Der ehemalige Firmensitz von J. A. Topf & Söhne ist ein historischer Ort der Mittäterschaft der Industrie am Holocaust. Das Unternehmen stellte der SS leistungsstarke Öfen für die Beseitigung der Leichen in den Konzentrationslagern zur Verfügung und zögerte nicht, technische Lösungen zur „Optimierung“ des Mordens im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zu liefern. In der Führung, die Teile des Außengeländes und die Dauerausstellung Techniker der „Endlösung“ umfasst, steht die Auseinandersetzung mit zentralen historischen Dokumenten im Zentrum der Betrachtung. Es geht sowohl um die Motive der beteiligten Firmenchefs, Ingenieure, Monteure und Kaufleute als auch um ihre Handlungsoptionen. Die Besucher/-innen haben dabei die Möglichkeit, sich über die Geschichte der Firma Topf & Söhne und deren Geschäftsbeziehungen zur SS zu informieren und die durch die Ausstellung aufgeworfene Frage nach der Verantwortung des einzelnen Menschen im beruflichen Alltag im Gespräch zu reflektieren.
ab 20:00 Uhr | Ihr Fotostatement für ein weltoffenes Thüringen
Zahlreiche Menschen zeigen Gesicht mit einem Foto und einem Zitat von sich auf www.thueringen-weltoffen.de/statements/ Der Erinnerungsort Topf & Söhne ermöglicht Ihnen, in der Bibliothek an diesem Abend ein Fotostatement für ein Weltoffenes Thüringen abzugeben. Dafür wird ein Foto von Ihnen gemacht und gemeinsam mit dem von Ihnen formulierten Statement an das Netzwerk Weltoffenes Thüringen gegeben.
ab 20:00 Uhr | Virtual Reality: die 1938 zerstörte Große Synagoge Erfurt in der VR-Brille erleben
Die Große Synagoge wurde 1884 am Kartäuserring (heute Juri-Gagarin-Ring/Max-Cars-Platz) geweiht. Das imposante Gotteshaus war der religiöse und kulturelle Mittelpunkt einer lebendigen und selbstbewussten jüdischen Gemeinde, die entscheidende Impulse für die Entwicklung der Stadt Erfurt setzte. In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 zerstörten die Nationalsozialisten die Große Synagoge, verschleppten die jüdischen Männer in das nahe KZ Buchenwald und griffen jüdische Geschäfte an. Aus der Entrechtung und Verfolgung von Jüdinnen und Juden wurde massenhafte direkte Gewalt, die letzten Räume selbstbestimmten jüdischen Lebens in Erfurt wurden zerstört. Modernste Technik macht es nun möglich, die virtuell rekonstruierte Große Synagoge wieder besuchen zu können. Mithilfe einer Virtual Reality-Brille kann der Raum individuell, interaktiv und wie in Originalgröße erkundet werden. Audios, Fotos und ein Film vermitteln ein reichhaltiges Wissen über jüdische Religion und Kultur als einen wichtigen Teil unserer Stadtgeschichte.