1806 – 1814 | Erfurt unter französischer Besetzung

Erfurt wird 1806 französisch besetzt und ist von 1807 bis 1814 domaine réservé à l'Empereur. Diese Zeit ist eine Zeit wachsender politischer und finanzieller Bedrückung, die die Stadt in den wirtschaftlichen Ruin treibt. Als Napoleon sich 1808 im Beisein fast aller deutschen Landesfürsten mit dem russischen Kaiser Alexander I. trifft, bringt dies für einige Tage – doch nur scheinbaren – Glanz in die Stadt.

Inhaltsverzeichnis

1806 – 1814

1806

(17.Oktober) Nach der Niederlage Preußens in der Schlacht bei Jena und Auerstedt wird die Festung Erfurt kampflos an die französischen Truppen übergeben. In dichten Kolonnen ziehen die militärischen Einheiten durch das Johannestor in die Stadt ein.

1807

(2. März) Friedrich Nehrlich, später Nerly, ein bedeutender Landschaftsmaler seiner Zeit, wird in Erfurt geboren.

1807

(4. August) Durch ein Dekret Napoleons I. wird Erfurt mit Blankenhain durch Inbesitznahme „en son nom personnel“ zur „domaine réservé à l’empereur“, zu einer kaiserlichen Domäne, erklärt.

1807

(23. Juli) Napoleon kommt auf der Durchreise vom ostpreußischen Kriegsschauplatz nach Frankreich erstmals nach Erfurt. Weitere Aufenthalte: ein Jahr später beim Erfurter Fürstenkongress, für einige Stunden am 5. Dezember 1812 auf der Durchreise nach Paris nach dem Fehlschlag in Russland, vom 25. bis zum 28. April 1813 zu Beginn des Feldzuges in Deutschland, vom 22. bis zum 25. Oktober 1813 nach der Völkerschlacht bei Leipzig.

1808

Vom 27. September bis zum 14. Oktober findet in Erfurt der Fürstenkongress statt. Kaiser Alexander I. von Russland und die meisten der deutschen Rheinbundfürsten kommen nach Erfurt, das so für zwei Wochen zu einem Zentrum europäischer Politik wird.

1808

(27. September) Magistrat und Deputierte der Erfurter Bürgerschaft empfangen Napoleon I. vor dem Brühler Tor und überreichen ihm symbolisch den Stadtschlüssel. Seine Residenz wird das Gouvernementsgebäude (Regierungsgebäude am Hirschgarten). Am selben Tag empfängt Napoleon I. Alexander I. von Russland in der Nähe von Linderbach zwischen Erfurt und Weimar. Unter dem Geläut der Glocken halten die beiden Herrscher Einzug in die Stadt. Alexander I. bezieht Quartier im Haus des Fabrikanten Triebel, Anger 6.

1808

(2. Oktober) Napoleon I. empfängt Goethe im Gouvernementsgebäude zu einem Gespräch und begrüßt ihn mit den Worten: „Vous êtes un homme – Sie sind ein (großer) Mann“. Gesprächsmittelpunkt sind die Literatur und das französische Theater.

1808

(10. Oktober) Christoph Martin Wieland wird zu einer Audienz bei Napoleon geladen.

1808

(12. Oktober) Nach zahlreichen Gesprächen zwischen Napoleon I. und Alexander I. wird ein Bündnisvertrag zwischen Frankreich und Russland unterzeichnet. Die geheim getroffenen Abmachungen werden in der Folge jedoch nicht eingehalten.

1808

Das „Erfurter Apothekerkränzchen“, eine der ersten modernen deutschen Apotheker-Vereinigungen, wird von dem Professor der Chemie Christian Friedrich Buchholz und dem Pharmazeuten Johann Bartholomäus Trommsdorff gegründet.

1809

Die Vitikirche in der Regierungsstraße Ecke Lange Brücke, neben dem Gasthof „Zum Schlehendorn“ (später „Zum Stadtkrug“) gelegen, welche schon im 13. Jahrhundert bestand, wird abgebrochen. 1509, während des „Tollen Jahres“, hat sich hier der Obervierherr Heinrich Kellner verborgen.

1809

Einführung eines Pflastergeldes für ortsfremde Pferde und zur Pflege des Straßenpflasters auf Anordnung der französischen Behörde.

1809

Einführung einer einheitlichen Straßenbeleuchtung in der Stadt auf Anordnung der französischen Behörde.

1810

Die Benediktikirche am Westaufgang der Krämerbrücke, seit 1807 in Privatbesitz, wird aufgehoben und abgerissen. Der Abbruch des Turmes, seit 1736 ohne Bekrönung, folgt 1896.

1810

Die noch vorhandenen Teile der einstigen Klosterbibliothek des säkularisierten Petersklosters werden als „Geschenk“ Napoleons der Erfurter Universität übereignet. Nach ihrer Auflösung wird sie mit der ehemaligen Boineburgischen Bibliothek vereinigt. Danach Bestandteil der „Königlichen Bibliothek“. Heute sind alle ehemaligen Klosterbestände, die noch in der Stadt verblieben sind, im Besitz der Stadt- und Regionalbibliothek der Stadt Erfurt.

1810

Dittelstedt erhält den Turm der ehemaligen Corpus-Christi-Kapelle auf dem Petersberg als „kaiserliches Geschenk“. Sorgfältig abgetragen, steht seitdem der Turm an der Kirche dieser Gemeinde.

1810

Das Geläut der Peterskirche wird auf Befehl der französischen Domänenbehörde meistbietend versteigert.

1811

(20. März) Errichtung der sogenannten „Napoleonsäule“ auf dem Anger anlässlich der Geburt von Napoleons Sohn. Die Aufstellung des Obelisken erfolgt auf Veranlassung der französischen Domänenkammer, die Kosten muss die Stadtkasse tragen. Die ca. 20 m hohe Säule wird beim Einmarsch der verbündeten Truppen 1814 durch Bürger der Stadt zerstört.

1811

(1. August) Die Gemeinde Büßleben kauft für ihre Kirche die große Orgel der Peterskirche.

1811

(14. und 15. August) Anlässlich des Geburtstagsfestes Napoleons am 15. August finden große Feierlichkeiten statt, ein Hochamt, ein Vogelschießen und am Abend eine in der Barfüßerkirche durchgeführte musikalische Akademie, am Morgen des 16. eine dort veranstaltete Aufführung von Haydns „Schöpfung“. In kriecherischem Tone hat der Präsident der kaiserlich-königlichen Finanz- und Domänenkammer angekündigt, Kenner würden „sich bestreben dem Herrlichsten das herrlichste Opfer des Genies und Talentes zu bringen und mit den ersten Meisterwerken deutscher Tonkunst die Meisterkunst ihrer Darstellung zu vereinen“. Goethe befindet sich bei dem abendlichen Konzert unter den Zuhörern. Es ist der letzte Besuch Goethes in Erfurt. Ebenfalls am 15. August wird Goethe auch zum Mitglied der Akademie nützlicher Wissenschaften zu Erfurt gewählt. Am 14. und am 15. August 1812 werden ähnliche musikalische Veranstaltungen durchgeführt, diesmal in der Predigerkirche und unter Leitung von Louis Spohr. Am 14. August wird auf einer jetzt „Napoleonshöhe“ genannten Anhöhe des Steigers ein Rundtempel mit einer von dem Gothaer Bildhauer Döll geschaffenen Napoleons-Büste – „Denkmal der Kriecherei einiger Afterdeutschen“, wie sich der Chronist Erfurts, Constantin Beyer, ausdrückt – eingeweiht. Am 1. November 1813 wird der Tempel durch Truppen der Verbündeten während der Belagerung der Stadt zerstört.

1812

(15. Dezember) Napoleon hält sich, seinen in Russland geschlagenen Truppen vorauseilend, auf dem Wege nach Paris einige Stunden in Erfurt auf.

1813

Die Zitadelle Petersberg wird am 24. Februar durch einen kaiserlichen Befehl in den Belagerungszustand versetzt. Napoleon besichtigt am 25. April eingehend alle Befestigungsanlagen der Stadt, besonders die des Petersberges und der Cyriaksburg.

1813

(17. März) Anton Dominik Ritter von Fernkorn in Erfurt geboren. Nach seiner Lehrzeit in München wirkt er in Wien, wo er Leiter der neuerrichteten Erzgießerei wird. Er ist der Schöpfer u. a. von sechs Kaiserstatuen im Speyerer Dom sowie der Reiterstandbilder des Prinzen Eugen und des Erzherzogs Karl auf dem Wiener Heldenplatz.

1813

Alle weiteren Bestattungen auf den Kirchhöfen der Stadt werden durch eine Verordnung der französischen Finanz- und Domainenkammer Erfurt vom 26. Juni verboten. Vor dem Johannestore (Johannesplatz) wird ein zentraler Friedhof, der sogenannte „Kardinalsfleck“, eingerichtet. Die Anordnung wird am 9. Dezember 1816 aufgehoben.

1813

Nach dem Untergang der Großen Armee in Russland erfolgt auf der Grundlage eines kaiserlichen Dekrets die Aushebung von 1.000 Konskribierten. Zwangsrekrutierte und Teile der Erfurter Bevölkerung erheben sich am 19. Juli gegen die französischen Besatzungstruppen. 20 Personen werden wegen „Aufruhrs“ verhaftet und zwei durch ein französisches Militärgericht zum Tode verurteilt.

1813

Die Grabplatte des Grafen (Lambert II.?) von Gleichen in der Peterskirche, die ihn mit zwei Frauen abbildet, wird am 19. August ausgehoben und im südlichen Seitenschiff des Domes aufgestellt.

1813

(25. Oktober) Nach der Völkerschlacht bei Leipzig (16. bis 19. Oktober) ist die Stadt durch ein starkes Belagerungskorps, aus preußischen, österreichischen und russischen Truppenteilen unter dem Kommando von Generalleutnant Friedrich von Kleist bestehend, eingeschlossen.

1813

(29. Oktober) Das Dorf Daberstedt wird am Abend durch die Franzosen niedergebrannt.

1813

(6. November) Bei der Beschießung der Festung Petersberg werden das Stadtviertel auf dem nördlichen Teil des Domplatzes, Teile der Befestigungsanlage und die Peterskirche sowie die Klostergebäude auf dem Petersberg schwer beschädigt.