Designerring und Mahlschatz
Schmuck zeichnet aus, hebt das Selbstwertgefühl und die Lebensfreude, hat Signalwirkung. Man kann ihn (wie seit ältesten Zeiten überliefert) als Amulett und Talisman tragen, man konnte und kann mit ihm Reichtum zur Schau stellen, ihn wirklich benutzen oder einfach im Safe als Schatz horten.
In Thüringen, speziell in Erfurt, hat die künstlerische Schmuckherstellung und Metallgestaltung seit langem fruchtbaren Boden. Für die Organisatoren im Museum für Thüringer Volkskunde Grund genug, sich dem Thema in einer Verbindung von modern kunsthandwerklicher und kulturhistorischer Ausstellung zu nähern: Für das eine stehen die Arbeiten vier junger Schmuckgestalterinnen, für das andere der berühmte Mahlschatz von Tautenburg.
Der Mahlschatz von Tautenburg
1986 entdeckte man unweit von Jena bei Abrissarbeiten eine stark korrodierte Blechdose mit 28 Goldmünzen, 13 (größtenteils gehenkelten) Großsilbermünzen, 107 gerollten Kleinmünzen, einer gehenkelten Medaille und einem Kettenverschluss. Es zeigte sich bald, dass es sich um einen numismatisch höchst interessanten Münzschatz handelte: Die älteste Münze datierte 1415, die jüngste aus dem Jahr 1636. Eine der Großsilbermünzen war bis dato völlig unbekannt. Vor allem die Goldmünzen mit verschiedenen Heiligendarstellungen und Wahlsprüchen religiösen Inhalts waren offensichtlich sehr gezielt dem Geldumlauf entnommen worden. Sie wiesen auf eine Sekundärverwendung der Münzen hin: als bäuerlicher Brautschmuck. Ans Licht gekommen war damit in Tautenburg der älteste bekannte und erhaltene Mahlschatz in Thüringen, vermutlich sogar in ganz Deutschland. Er wird heute im Museum Leuchtenburg aufbewahrt.
Abb. rechts: Tautenburger Münzschmuck in seiner Sekundärverwendung als Mahlschatz, Gold- und Silbermünzen, dat. 1415-1636 / Foto: Linde, Jena.
Ländlicher Brautschmuck in Thüringen
Gerollte oder zusammengedrückte sowie gehenkelte Münzen scheinen in Thüringen und Sachsen seit dem 17. Jahrhundert üblicherweise als Halsketten verarbeitet worden zu sein. Bis ins 19. Jahrhundert hinein besaß in Thüringen wohl jede wohlhabende Bauernfamilie zumindest eine prächtige Kette dieser Art, die als Brautschmuck von Generation zu Generation weitergegeben und durch weitere Münzen ergänzt wurde.
Abb. rechts: Mahlschatz, teilweise vergoldet, sog. Mariengroschen, dat. Ende 17. Jahrhundert, Museum für Thüringer Volkskunde Erfurt
Solch ein Mahlschatz – wortgeschichtlich verwandt mit dem althochdeutschen mahal (Vertrag), ähnlich wie Gemahl und vermählen – machte das Verlöbnis als Eheversprechen rechtskräftig. Überreicht wurde er der Braut am Verlobungstag, mitunter in Verbindung mit Bargeld und anderen Gegenständen. Obligatorisch wurde der Mahlschatz dann zur Vermählung in Verbindung mit Hochzeitstracht und Hochzeitshaube bzw. dem sogenannten Flitterheid getragen, in den folgenden Lebensjahren zur Frauenfesttracht.
Mahlschätze verkörperten als Schmuckstücke par excellence die in der Familie über viele Generationen angehäuften und gehüteten materiellen Werte. Mit ihnen zeigte man, was man besaß und wer man war.
Abb. rechts: Mahlschatz. Silber, Golddukat, dat. 1776. Museum für Thüringer Volkskunde.
Schmuck will geliebt und getragen werden …
Unvergängliche materielle Werte zu verkörpern – diese Funktion ist für modernen Schmuck nicht mehr unbedingt die wesentliche. Heutzutage ist Individualität gefragt – was Schmuck unterstreichen soll. Da haben Edelmetalle und edle Steine in der Gestaltung ebenso ihren Platz wie eher Ungewöhnliches: Pergament, Kunststoff oder Filz. Doch die Schmuckformen der Vergangenheit – eben auch der Münz- und Brautschmuck unserer Altvorderen – bieten nach wie vor genügend Inspiration! Lassen Sie sich also überraschen!
Abb. rechts: Franziska Kraft: Collier, Bambuskoralle gefärbt, Silber, Stahl, z. T. vergoldet, Süßwasserperle, 2007.
Die Ausstellung ist ein Projekt in Kooperation mit dem Museum Leuchtenburg und dem Bund Thüringer Kunsthandwerker e. V. Sie wird im Anschluss vom 04.05. bis 26.10.2008 im Museum Leuchtenburg gezeigt.
Ausstellungsdauer: 02.12.2007 - 30.03.2008